Mit der Organisation von Schnupperlehren tun sich Jugendliche oft schwer und brauchen Unterstützung durch die Eltern. Liegt zusätzlich eine gesundheitliche Beeinträchtigung vor, kommen nicht selten auch diese an ihre Grenzen. Hier kann eventuell ein Coaching zur Suche und Begleitung von Schnupperlehren helfen. Wir nehmen einen Augenschein vor Ort und begleiten einen Jugendlichen beim Schnuppern.
Beitrag von Martina Tschan, 24. November 2020
21. Oktober 2020 / 09.00 Uhr: Lokaltermin bei der HACO AG in Gümligen
Mit dem Fotografen im Schlepptau treffe ich mich hier mit Nick Bieri. Der junge Mann absolviert gerade seine dreitägige Schnupperzeit als Lebensmittelpraktiker. Bevor wir ihn aber zu Gesicht bekommen, werden auch wir in Schutzbekleidung gesteckt und mit Arbeitsschuhen ausgerüstet. Die Hygiene- und Sicherheitsstandards im Lebensmittelindustrie-Betrieb sind hoch. Frau Zaugg, die Lehrlingsverantwortliche, führt uns durch die eindrücklichen Produktionshallen, die je nach dem unterschiedlich angenehm und unterschiedlich intensiv duften. In der Gewürzverarbeitungshalle treffen wir auf Nick, der vor den grossen Gewürzsilos steht und mit Abwägen und Abfüllen beschäftigt ist. Er wird von Herrn Fehmi nett und verständlich angeleitet.
In den drei Schnuppertagen –
beim Bouillonmischen, Kaffeebohnenmahlen oder Gewürzabfüllen – hat Nick einen guten Einblick in den Beruf des Lebensmittelpraktikers erhalten. Ob es wirklich ein Beruf für ihn wäre, ist er sich unsicher. Im Moment befasst er sich intensiv mit der Berufswahl und hat auch schon einige Schnupperpraktika absolviert, unter anderem als Zimmermann, Schreiner oder Tierpfleger. Auf die Frage, was ihm denn am besten gefallen habe und warum, meint er: «Schreiner, weil ich diesen Beruf am spannendsten finde und ich mich in einem kleinen Betrieb wohler fühle.» Sein Traumberuf sei eigentlich Tierpfleger, aber dazu benötige man, z.B. im Tierpark Dählhölzli, zuerst eine andere Erstausbildung. Nick wird noch in anderen Berufen und Betrieben schnuppern, um weitere Erfahrungen zu sammeln und sich ein klares Bild über das gewünschte zukünftige Arbeitsumfeld zu machen. Dieses soll ihm als Mensch und seinen Fähigkeiten möglichst entsprechen.
Der Berufseinstieg und der Weg dorthin sind herausfordernd.
Gerade auch für junge Menschen wie Nick. In der Schule geht ihm alles zu schnell und er kämpft mit Einschränkungen in der akkustischen und optischen Wahrnehmung und Merkfähigkeit. Die Sprache ist nicht so sein Ding. Er braucht mehr Zeit und Unterstützung als andere. Dafür strotzt er beim Biken, Fussballspielen oder Klettern vor Energie und Ausdauer. Ein beeindruckender junger Mann, der seinen Weg sucht.
Nick ist dabei nicht auf sich alleine gestellt.
In erster Linie helfen ihm seine Eltern bei der Berufswahl und beim Organisieren von Schnupperplätzen. Da der IV-Leistungsanspruch für eine Berufsberatung erfüllt ist, kann er Unterstützung der IV in Anspruch nehmen und vom niederschwelligen und zeitlich begrenzten Coaching-Angebot «Schnupperlehren» profitieren. Die externe Coachingperson vermittelt zwischen den verschiedenen Akteuren, hilft beim Schnupperstellen finden, ist auch mal als Drittperson bei einem Gespräch dabei und gibt nützliche Tipps.
«Obwohl man das meiste selber organisiert, ist das externe Coaching eine Entlastung sowohl für die Jugendlichen wie auch die Eltern»,
meint die Mutter von Nick. Wichtig ist, dass für alle klar ist, dass falls die Eltern auf Hilfe angewiesen sind, die Coachingperson nur unterstützend hilft. Die Hauptverantwortung liegt nach wie vor bei den Jugendlichen und ihren Eltern. Die entscheidenden Schritte, wie z.B. bei einem Lehrbetrieb anrufen, muss der Jugendliche selber machen. «Das ist eine grosse Herausforderung, die es für mich zu überwinden gilt», ergänzt Nick.
Nick Bieri, 16 Jahre. Er lebt mit seinen Eltern und seinen beiden Schwestern in Bern und besucht zurzeit das 10. Schuljahr an der Rudolf Steiner Schule in Ittigen.