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Pilotprojekt
Peer-Begleitung


Der Einstieg oder Wiedereinstieg in die Berufswelt nach einer psychischen Erkrankung kann schwierige Gefühle auslösen und eine Belastung darstellen. Mit unserem neu geschaffenen Peer-Angebot bieten wir Versicherten die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe beraten zu lassen.


Beitrag von Martina Tschan, 20. Juni 2020

Recovery-Konzepte werden vor allem in der Psychiatrie eingesetzt. Dabei steht nicht das defizitorientierte Behandlungsverständnis und die blosse Symptomkontrolle im Zentrum, sondern die Gesundung und das Erlernen von Strategien, um aktiv und selbstbestimmt am Leben teilhaben zu können. Es geht also nicht primär um "Heilung" sondern darum, den negativen Einfluss einer psychischen Erkrankung zu überwinden, obwohl sie weiterhin anhält. Unterstützen können dabei sogenannte Peer-Begleiterinnen und -Begleiter. Das sind Menschen, die selber eine oder mehrere schwere psychische Krisen durchlebt haben und durch ihre Erfahrungen ratsuchende Personen begleiten können. Sie haben ein anderes Verständnis für die Anliegen der Betroffenen und können durch die ähnliche Lebenserfahrung einen wertvollen Kontakt und einen offenen Austausch ermöglichen.

Die Hoffnung, dass Gesundung möglich ist, ist eine der Voraussetzungen, dass Betroffene an ihre Ressourcen herankommen. Menschen genesen leichter, wenn sie sich als Teil der Gesellschaft erleben.

Da andere IV-Stellen bereits positive Erfahrungen mit dem Einsatz von Peers gemacht haben, haben auch wir uns im vergangenen Jahr dazu entschieden, ein Pilotprojekt mit dem Einsatz einer solchen Begleitperson durchzuführen. Seit Ende 2019 wird bei der IV-Stelle Kanton Bern die Peer-Begleitung als wichtige Ergänzung zu den Beratungen in der Eingliederungsarbeit eingesetzt. Die Kontaktaufnahme für ein Peer-Angebot erfolgt jeweils über die zuständige IV-Fachperson. Im persönlichen Austausch können zum Beispiel Unsicherheiten im Arbeitsalltag, die Überwindung von negativen Gefühlen, oder die Entwicklung von Krisenstrategien thematisiert werden. Das Angebot ist kostenlos und absolut vertraulich.

  • Flyer Peer-Begleitung
  • Manchmal gilt es grössere Hindernisse zu überwinden, bis jemand nach einer psychischen Erschütterung sich auf eine berufliche (Wieder-)Eingliederung einlassen kann. Ich bin dankbar, dass wir hier auf die Peer-Beraterin zurückgreifen können.

    Norbert Kobler | Teamleiter Eingliederungsmanagement, IV-Zweigstelle Burgdorf


    Start als Pilotprojekt

    Um eine Peerberatung seriös anbieten zu können, ist die Rekrutierung einer entsprechenden Fachperson, die dem Anforderungsprofil entspricht, Voraussetzung. Diese muss zwingend eigenes Erfahrungswissen mit psychischer Erkrankung und dem Recovery-Weg und eine Qualifizierung durch den Erwerb methodischer und rechtlicher Grundkenntnisse in einer Peer-Weiterbildung mitbringen. Der entsprechende Rekrutierungsprozess konnte im vergangenen Sommer erfolgreich abgeschlossen werden.

    In einem zweiten Schritt wurde das neue IV-Angebot und der Mensch dahinter IVBE-intern in den verschiedenen Eingliederungsteams vorgestellt und eingeführt. Damit konnten gleich zu Beginn Fragen und Unklarheiten bezüglich den Anspruchsgruppen und der Zusammenarbeit geklärt werden. Rasch konnte die Peer-Beraterin den Mehrwert des Angebots aufzeigen. Einerseits vor allem für Versicherte, die Mühe haben, sich auf einen Eingliederungsweg mit Hilfe der IV einzulassen. Oder auch, wenn eine Person immer wieder psychische Krisen und das Gefühl hat, sie käme nicht weiter auf ihrem Genesungsweg. Andererseits profitieren auch die Mitarbeitenden von der Peer-Beraterin, wenn sie bei Versicherten mit vorwiegend psychiatrischem Krankheitsbild froh über eine Zweitmeinung sind oder wenn eine Eingliederungssituation derart komplex ist, dass Unsicherheit besteht, welches Vorgehen und welche Kommmunikation wohl am zielführendsten ist. 

    Der Ausbau des Angebots wurde zwischenzeitlich durch den Ausbruch der Corona-Pandemie etwas gebremst, da in dieser Zeit generell die Gespräche mit Versicherten auf ein Minimum beschränkt wurden. Dafür wurde in dieser Zeit das Konzept nochmals verfeinert, einen ansprechenden Angebots-Flyer entwickelt und einen Evaluations-Fragebogen erstellt. Um den Pilotversuch aussagekräftig auszuwerten, braucht es nun aber definitiv mehr Zeit. Darum wurde entschieden, ihn bis Herbst 2021 zu verlängern. Die kommenden Wochen und Monate werden genutzt, das Angebot intensiv einzusetzen und weitere Erfahrungen zu sammeln.

    Es ist unser erklärtes Ziel, mit der neuen Unterstützungsform Hemmschwellen abzubauen und den Betroffenen Mut zur Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung und Hoffnung auf Gesundung zu vermitteln. Wir sind überzeugt, dass dieser Weg für unsere Versicherten und für uns als Mitarbeitende erfolgsversprechend ist und hoffen, dass viele das Angebot nutzen werden.