Navigation

Eine Erfolgsgeschichte

Einfache Mittel
mit grosser Wirkung


Damit eine Person mit Beeinträchtigungen im ersten Arbeitsmarkt nachhaltig Fuss fassen kann, braucht es in erster Linie einen aufgeschlossenen Arbeitgeber – und manchmal zusätzliche Unterstützung durch die IV. Bei Rami K. war beides der Fall.

Beitrag von Matthias Zobrist, 15. Februar 2024

Düfte von verschiedensten Gewürzen hängen in der Luft. Es ist heiss in der Restaurantküche. Hektisch wird geschnippelt, gebraten, gedünstet und gebacken. Auf den ersten Blick scheint dies nicht der ideale Arbeitsort für eine autistisch veranlagte Person zu sein. Und trotzdem bewegt Rami K. sich seit einigen Jahren in diesem Arbeitsumfeld. «Ich brauche einfach klare Aufgaben und Strukturen, damit die Arbeit nicht zur Überforderung wird», so der ausgebildete Koch. Dafür ist ein Arbeitgeber nötig, der dem auch Rechnung tragen will. Mit dem tibits in Bern fand Rami K. 2021 einen solchen. «Rami hat sich ganz normal auf die offene Stelle als Koch beworben, brachte das nötige EFZ mit und entsprach auch sonst unseren Anforderungen», erinnert sich Simon von Mühlenen, stellvertretender Küchenchef des tibits an der Gurtengasse in Bern. Die IV wirkte damals unterstützend im Hintergrund, hat Rami K. mit einem Jobcoaching bei der Bewerbung geholfen und den Arbeitgeber über dessen autistische Veranlagung ins Bild gesetzt. Weitere Unterstützung war während den ersten Monaten der Anstellung nicht nötig. Rami K. fügte sich gut ins Team ein und erbrachte die geforderten Leistungen.

Als es sie brauchte, war die IV da
Das änderte sich im Verlauf des Jahres 2022. Rami K. wurde zusehends unsicher und befürchtete, dass ihm bereits nach kleinen Missgeschicken die Kündigung drohen würde. So wandte er sich wieder an die IV. Gemeinsam konnte innert kurzer Zeit ein externes Coaching aufgegleist werden – dank der Leistung «Beratung und Begleitung». Es brauchte nicht viel, um die Zusammenarbeit wieder in die richtige Richtung zu lenken. «Es ging vor allem darum, dem Arbeitgeber Tipps zum Umgang mit Rami K. zu geben. Alles mit dem Ziel, dass sich Rami K. nicht so rasch verunsichern lässt», erklärt Martin Egli, der zuständige Eingliederungsfachmann. Neben regelmässigen Gesprächen zwischen Rami K., Simon von Mühlenen und dem Jobcoach, half vor allem ein Glückstagebuch. Die Stimmung wie auch die Beurteilungen wurden immer auf einer Gefühlsskala von 1 bis 10 eingeordnet. Zu Anfang war der Anspruch von Rami K., stets eine 10 zu erhalten. Als er merkte, dass er beinahe nie die Höchstnote erhielt, sein Chef jedoch trotzdem mit ihm zufrieden war, gewann er mehr Sicherheit und konnte mit dem Leistungsdruck immer besser umgehen. Diese einfache Massnahme wurde beibehalten, sodass Rami K. bis heute jede Woche eine Beurteilung in Zahlen von seinem Vorgesetzten erhält.

Die Zukunft selber in die Hand genommen
In der Zwischenzeit läuft alles wieder rund. Die Coachinggespräche sind nicht mehr nötig und Rami K. blickt positiv in die Zukunft: «Ich bin froh, habe ich im tibits einen Arbeitsplatz gefunden, wo ich die notwendigen Strukturen habe. Trotzdem habe ich eine Umschulung begonnen, um in rund zwei Jahren in den kaufmännischen Bereich wechseln zu können.» Die Umschulung hat er alleine in die Hand genommen. Die Unterstützung der IV braucht er momentan nicht mehr. Doch aus seiner Erfahrung weiss er: Wenn sich die berufliche Situation bei ihm wieder zuspitzen sollte, kann er auf sie zählen.


Beratung und Begleitung

Mit der Weiterentwicklung IV haben die IV-Stellen 2021 unter anderem ein zusätzliches Instrument erhalten, um eine Eingliederung nachhaltig zu gestalten: die Beratung und Begleitung. Mit dieser Leistung bleibt die Tür der IV auch nach einer erfolgreichen Eingliederung während drei Jahren offen. Treten Probleme auf, kann sich der Arbeitgeber oder die versicherte Person jederzeit melden. Ohne erneute Anmeldung können rasch und unkompliziert Massnahmen zugesprochen werden, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Das kann ein Coaching sein, ein Arbeitsversuch oder das Zahlen von Einarbeitungszuschüssen. Die IV-Stelle Kanton Bern bot diese Unterstützung bereits in der Vergangenheit teilweise an, jedoch nur reaktiv. Seit zwei Jahren geht nun ein Team von Beratungsfachpersonen nach abgeschlossener Eingliederung aktiv auf die Arbeitgebenden und die versicherten Personen zu und klärt allfälligen Unterstützungsbedarf ab. Auch wenn sich keine Notwendigkeit zeigt, ist der Kontakt zwischen den verschiedenen Parteien dadurch bereits hergestellt. Entsprechend kleiner ist die Hürde, sollten später doch Schwierigkeiten auftauchen.